Top 5 des Monats: April 2014

Veröffentlicht: 4. Mai 2014 in top 5 of the month
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Nach dem eher durchwachsenen und mainstreamigen März hatte ich wieder das Bedürfnis, einige Klassiker bzw. gewichtigere Filme anzusehen. So wurde der April für mich zu einem großangelegten Abarbeiten meiner „List of Shame“ und die daraus resultierende Top 5 zur Qual der Wahl. Die fünf Filme, für die ich mich entschieden habe, sind allesamt must-sees für Cinephile und gehören zu den ganz großen Werken der Filmgeschichte:

Meine Top 5 Filme im April 2014:

5. Platz: ALL QUIET ON THE WESTERN FRONT (USA 1930, Regie: Lewis Milestone)

ALL QUIET ON THE WESTERN FRONT

Dieser Klassiker behandelt das Thema der verlorenen Generation des Ersten Weltkriegs. Blutjunge Leute aus einer deutschen Schulklasse gehen freiwillig zur Armee, nachdem sie sich vom hysterischen Umfeld, repräsentiert durch ihren Lehrer, für die Sache begeistern haben lassen. Aus den romantischen Vorstellungen über Heldenmut und Vaterland wird jedoch schnell die bittere und niederschmetternde Realität der Schützengräben Frankreichs, des Artilleriebeschusses und des sinnlosen Gemetzels. Lewis Milestones‘ Antikriegsfilm hat mich vor allem angesichts des Produktionsjahres aufgrund seines enormen Aufwandes bei der Inszenierung der Kriegsszenen fasziniert. Einer der besten Filme über den Ersten Weltkrieg (neben Kubricks PATHS OF GLORY).

4. Platz: LADRI DI BICILETTE (BICYCLE THIEVES) (Italien 1948, Regie: Vittorio De Sica)

BICYCLE THIEVES

Ein Vertreter und Paradebeispiel des italienischen Neorealismus, der eine universale und grundlegend einfache Geschichte erzählt: Im Nachkriegs-Rom muss ein Mann, um seine Arbeit zu bekommen und behalten zu können, ein Fahrrad haben. Da ihm sein Fahrrad jedoch schon am ersten Arbeitstag gestohlen wird, macht er sich zusammen mit seinem jungen Sohn auf eine hoffnungslose Odyssee durch Rom, um den Dieb aufzutreiben. Wunderbarer Film, rührend und zeitlos.

3. Platz: LE NOTTI DI CABIRIA (NIGHTS OF CABIRIA) (Itailen 1957, Regie: Federico Fellini)

NIGHTS OF CABIRIA

Diese Tragikomödie habe ich im Anschluss an Fellinis LA STRADA (1954) gesehen und sie hat es mir mehr angetan. Im Gegenteil zu LA STRADA, wo mir Giulietta Masina mit dem überzeichneten Spiel etwas zu viel wurde, trifft sie hier mit ihrer extrovertierten Performance den Nagel auf den Kopf. Cabiria ist eine naive Prostituierte in Rom, die davon träumt, die wahre Liebe zu finden und nicht realisiert, dass sie ausgenutzt wird. Nachdem sie zu Beginn der Geschichte beinahe ums Leben kommt, weil ihr Liebhaber ihre Handtasche entreißt und sie in den Fluss wirft, folgen wir Cabiria in ihrem Leben auf der Straße und lernen ihr soziales Umfeld, ihre Freier, ihr kleines Häuschen kennen. Und irgendwann kommt wieder der vermeintliche edle Ritter, der sich in Cabiria verliebt… Vor allem die letzte dramatische Szene (die ich nicht verraten möchte) ist ein Lehrstück in effektiver Filmmontage. Fellini, bzw. Editor Leo Cattozzo, wechseln genau im richtigen Moment, und auch nur dann, auf ein extremes Close-up, um den gewünschten Effekt beim Zuschauer zu erreichen – grandios.

2. Platz: THE HUSTLER (USA 1961, Regie: Robert Rossen)

THE HUSTLER

Die meisten dürften Martin Scorseses THE COLOR OF MONEY (1986) mit Tom Cruise und Paul Newman kennen. In diesem fantastischen Film bringt Newman dem Rookie Cruise die psychologischen Tricks bei, mit denen er anderen Spielern beim Pool das Geld aus der Tasche ziehen kann – er macht ihn zum echten Hustler. Nicht jedem bekannt ist jedoch die Tatsache, dass THE COLOR OF MONEY ein Sequel ist und Newman bereits 1961 in Robert Rossens Film THE HUSTLER den gleichen Charakter in jungen Jahren gespielt hat: den Hustler Fast Eddie Felson. In großartigen Schwarz-weiß-Aufnahmen wird seine Geschichte erzählt, und nicht nur die fantastischen Montagen bei den Pool-Duellen begeistern, sondern vor allem die Dynamik zwischen dem Trio Newman, Laurie und George C. Scott. Ich kann THE HUSTLER (deutscher Titel: Haie der Großstadt) nicht nur Paul Newman-Fans weiterempfehlen.

1. Platz: TÔKYÔ MONOGATARI (TOKYO STORY) (Japan 1953, Regie: Yasujirô Ozu)

TOKYO STORY

Es hat lange gedauert, bis ich mir endlich Filme von Yasujirô Ozu angesehen habe. Für viele gilt er als einer der bedeutendsten und wichtigsten Regisseure überhaupt. Während ein Akira Kurosawa oftmals als eher „westlicher“ Vertreter des japanischen Films bezeichnet wird und hierzulande leider meist auf seine Samurai-Filme (jidai-geki) beschränkt wird, gilt Ozu als Spiegel der „japanischen“ Seite Japans, der sich vor allem mit den Beziehungen innerhalb der Familie beschäftigt hat. Der erste Film, den ich gesehen habe ist TODAKE NO KYODAI (BROTHERS AND SISTERS OF THE TODA FAMILY) (1941) und hätte es auch verdient, in die Top 5 aufgenommen zu werden. TOKYO STORY gilt als einer seiner großen Filme und erzählt die schlichte Geschichte eines alten Paares in Nachkriegs-Japan, das auf dem Land lebt und nach Tokyo reist, um seine Kinder zu besuchen. Doch leider hat niemand wirklich Zeit für die Eltern, so dass sie mal hier, mal dorthin geschoben werden oder gar ins Spa geschickt werden, da alle viel zu beschäftigt sind. Ironischerweise nimmt sich die Schwiegertochter Noriko (Ozus Langzeit-Kollaborateurin Setsuko Hara) als nicht Blutsverwandte am meisten Zeit für die Alten und rührt nicht nur sie mit ihrer Wärme und Empathie. Interessant ist der ganze Aufbau des Films und die Dynamik zwischen den Charakteren. Alle verhalten sich höflich und freundlich, und die Eltern kämen nie auf die Idee, ihren Kindern Vorwürfe zu machen. Es ist nun Mal ein Abriss des Lebens, ohne moralischen Fingerzeig.

Ich bin begeistert, endlich mit Ozus Filmographie konfrontiert worden zu sein, und habe mir bereits die nächsten Filme von ihm bestellt. Ozu ist nicht nur für seine wiederkehrenden Themen bekannt, sondern auch vor allem für die Art seiner Inszenierung. Die klassische „Ozu-Einstellung“ wird jeder, der etwas genauer hinschaut, schnell erkennen und von anderen Filmen differenzieren können. Vor allem der Einfluss auf Regisseure nach ihm ist gewichtig: Ich habe zum ersten Mal das Gefühl, ein völlig neues Verständnis für die Filme von z. B. Takeshi Kitano zu haben. Großartiger Film, der unangefochten auf dem ersten Platz steht!

Kommentare
  1. Tokyo Monogatari hab ich hier auch seit Monaten rumliegen, aber bisher noch nicht in den Player geworfen. Habs mir aber für Mai fest vorgenommen 🙂

  2. Da sind auf jeden Fall tolle Inspirationen dabei!

  3. Hab Tokyo Story nun endlich gesehen und tat mich etwas schwer mit ihm. Weniger vom Inhalt her als von der Inszenierung, Ozu’s Mise-en-scene und auch die Schauspielleistungen (Setsuko Hara ausgenommen) wirkten auf mich unglaublich steif und rissen mich immer wieder leicht aus dem Film heraus. Vielleicht gefällt mir der Film besser bei einer neuerlichen Sichtung, wenn ich weiß, was mich erwartet.

    • indy sagt:

      Ich glaube, du hast Recht in der Annahme, dass eine andere Erwartungshaltung hilft. Ich wusste zuvor grob, was mich erwarten würde, da ich einige Ausschnitte aus Ozus Filmen in Dokumentationen gesehen hatte. Besonders die Einstellungen, die Bild-in-Bild-Kompositionen Ozus im Spiel mit der Tiefenschärfe hatten es mir angetan, auch die bestimmte Höhe der positionierten Kamera und die beinahe frontalen Einstellungen bei den Dialogen. Mir hat die Mis-en-scène sehr gefallen, da ich es immer bewundere, wenn ein Filmemacher sich auch „ohne Montage“ ausdrücken kann. Bisher habe ich erst zwei Filme gesehen, doch die BD mit zwei weiteren Titeln liegt bereits zur Sichtung im Regal (THE ONLY SON und LATE SPRING). 😉

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